Mein Klavier kostete zunehmend mehr und schließlich klappte es ab. Statt einem neuen Klavier, habe ich mir jetzt ein E-Piano gekauft. Viele meiner Musikerfreunde zucken dabei kritisch mit der Augenbraue. E-Pianos sind jedoch keine billigen Kopien von Klavieren. Für Expertenohren lässt sich der Wohnzimmerklang eines guten E-Pianos kaum mehr von wirklich guten Flügeln unterscheiden.
Es gibt ja so viele Gründe mit Musik zu beginnen, und ein E-Piano ist ein guter Beginn. Warum Klavierspielen so viel hilft nochmal hier ein paar Fakten:
- Musizieren hilft bei feinmotorischer Entwicklung, emotionaler Entwicklung Aufmerksamkeit, Angstmanagement, emotionaler Kontrolle (Studie, Magnetic Resonance (MRI) Study of Normal Brain Development)
- Nach einer MIT Studie ist der Cerebral Cortex von Konzertpianisten 30 Prozent größer als der von anderen Menschen, die als intellektuell bezeichnet werden (child.http://www.keynotespianostudio.com/Tallahassee_Piano_Lessons/benefits-of-piano-study/)
- 75% aller Manager im Silicon Valley hatten Instrumentalunterricht als Kind (child.http://www.keynotespianostudio.com/Tallahassee_Piano_Lessons/benefits-of-piano-study/)
- Lesen bedarf verschiedener Fähigkeiten wie Rhythmus und Zählen, was insgesamt der mathematischen Fähigkeit helfen kann. So zeigen Studien auch , dass Musikschüler häufiger besser in der Schule sind (Quelle: Friedman, B. (1959) An evaluation of the achievement in reading and arithmetic of pupils in elementary schools instrumental classes. Dissertation Abstracts International, 20, pp.s 3662-3663.) http://www.effectivemusicteaching.com/articles/directors/18-benefits-of-playing-a-musical-instrument/
- Musizieren verbessert Testscores, (nach Studien der University Texas und Georgia gibt es signifikante Korrelationen zwischen der Anzahl der Jahre, in denen ein Musikinstrument gespielt werde und den akademischen Leistungen in Mathematik (University of Sarasota Study, Jeffrey Lynn Kluball; East Texas State University Study, Daryl Erick Trent)
- Ebenso verbessert Musizieren die Sprachfähigkeiten  (Quelle weiter unten)
- Musizieren kehrt Stress auf der molekularen Ebene um. Zitat: „It can reverse stress at the molecular level.“ (Studies conducted by Loma Linda University School of Medicine and Applied Biosystems; Medical Science Monitor)
- Musizieren beeinflusst unsere Hormone positiv. Â Zitat: „[…] group keyboard lessons showed significantly higher levels of HgH than the control group people who did not play.“Â (University of Miami) Quelle:Â http://www.laphil.com/sites/default/files/media/pdfs/shared/education/yola/susan-hallam-music-development_research.pdf
- alles ausführlicher hier
Nun hindern uns viele Klassikfetischisten daran, unserem Interesse wirklich nachzugehen und es auszubauen, weil sie uns einerseits nur mit Klassik erschlagen (nicht falsch verstehen, ich spiele das mittlerweile fast ausschließlich, aber man muss dort auch erstmal hingelangen) und uns zum anderen mit grundlosen Mythen belästigen. Im Folgenden möchte ich zeigen, dass E-Pianos, doch ebenso viel und sogar mehr leisten können, als Klaviere zum gleichen Preis und dazu ermutigen sich ein günstiges E-Piano zu kaufen, um mit dem Musizieren zu beginnen.
Übrigens auch Stefan Malzew (ehemals Chefdirigent in meiner Heimatstadt) nutzt ein E-Piano in seiner neuen Serie, die den Zusammenhang zwischen klassischer Musik und moderner Musik erklärt.
So falsch kann ein E-Piano also nicht sein.
Ich spiele selbst in vielen Kirchen in Pittsburgh und mit Freunden zusammen Klavier. Musik ist ein bedeutender Teil meines Lebens. Die Diskussion ‚E-Piano oder Klavier‘ war dabei immer irgendwie eine unnötig hitzige Kontroverse. Musikern nostalgisch-klassischer Prägung ging es hauptsächlich darum, dass E-Pianos aus Prinzip nichts taugen. Ein Klavier würde ganz andere Schwingungen produzieren. Dieses Vorurteil basiert leider auf sehr schlechten Informationen und ist zumeist ein Dogma.
Natürlich wenn Amaury Morales, ein Freund von mir spielt, dann macht es gerade mit dem stufigen Pedal bei einem richtigen Flügel einen gewichtigen Unterschied, wie er die Töne lagert und jeden Ton genau in seiner Stärke bestimmt. Das bekommt er nicht auf einem 500 Euro E-Piano hin:
Wer sich aber ein E-Piano um die 3000 Euro kauft, der kauft den Klang eines Flügels, bei weitem besser als jedes Klavier für 3000 Euro.
Kürzlich stand ich also wieder vor der Entscheidung, mir ein E-Piano oder ein Klavier zu kaufen. Unser altes Klavier hier ist abgeklappt und das ständige Stimmen war ohnehin viel zu teuer (200 Dollar pro Jahr). Die Entscheidung fiel daher endgültig für das E-Piano.Â
E-PIANOS SIND QUALITATIV GLEICHWERTIG MIT FLÃœGELN
Das liegt daran, dass der Klang eines Flügels aufgenommen wird und bei jedem Anschlag des E-Pianos dieser Klang reproduziert wird. Das heißt, man bekommt den Klang eines wirklich sehr guten Flügels geliefert und damit kann kein durchschnittliches Klavier mithalten. Ein E-Piano verstimmt sich auch nicht und liefert diesen Klang konstant. Beim Preis eines E-Pianos geht es daher weniger um den Klang, sondern eher um den Anschlag und die Lautsprecher. Auch aber weil die Mechanik an E-Pianos einfacher als an einem richtigen Klavier zu konstruieren ist, lässt sich das Spielgefühl hochklassiger Flügel kostengünstig nachbilden. Ein E-Piano ist unter keinen Umständen zu unterschätzen und im Folgenden gebe ich verschiedene Preisempfehlungen und worauf man beim Kauf achten sollte.
Verschiedene Preis-Levels bei E-Pianos
Nachdem ich nun ein Weilchen mit meinem Yamaha P-45B* geübt habe, kann ich sagen, dass die Anschaffung in jedem Fall lohnender war als mir zum gleichen Preis eine alte Klapperkiste, getarnt als Klavier, zu holen. Ein Klavier gehört in dieser Preiskategorie leider auf den Sperrmüll. Viele Leute wollen in Pittsburgh zwar alte Klaviere abgegeben. Nur der Transport müsste geregelt werden, die Klaviere sind allerdings zumeist verstimmt und brauchen Reparaturen. Daher muss bei Klavieren in diesem Rahmen gut 400 bis 1000 Euro für Reparaturen eingeplant werden. Ein befreundeter Klavierstimmer beschwert sich zunehmend über Leute, die ein schlechtes Klavier kaufen und von ihm erwarten, es schnell und kostengünstig zu reparieren. Nicht immer ist dies möglich.
Doch zurück zu den E-Pianos: Als absolutes Einstiegsinstrument ist ein E-Piano unter 500 Euro vor allem dann zu empfehlen, wenn noch ohnehin unklar ist, ob man selbst oder das Kind wirklich dem Hobby langfristig nachgehen will. Gerade bei Kindern im Alter von 5 bis 10 und im Hinblick auf das Klavierrepertoire sollte also ein 500 Euro E-Piano eine gute Investition sein. Sobald man aber seine künstlerische Entwicklung im klassischen Bereich fortsetzen möchte, müssen auch andere Spielalternativen gegeben sein. Es ist hierbei nicht so sehr der Klang, der problematisch ist, sondern die Anschlagsdynamik, die bei diesen E-Piano einen eher geringen, musikalischen Ausdruck ermöglicht. Sollten daher Ambitionen bestehen, muss man sich überlegen, dass man später womöglich doppelt kauft. Ich muss allerdings anmerken: Im Vergleich zum Klavier hat man das Geld jedoch nach 3 Jahren Nicht-stimmen schon wieder raus. Schauen wir uns E-Pianos im Detail an.
E-Pianos unter 500 Euro:
Ich habe mir das Yamaha P-45 geholt. Als Großhersteller produziert Yamaha einfach das beste Modell. Ein großer Nachteil ist, dass die meisten Klaviere in dieser Kategorie nur 32-stimmig arbeiten. Dies bedeutet, dass man nur 32 Töne gleichzeitig spielen kann. Da die Hand nur 10 Finger hat, erscheint ein 32-stimmiges E-Piano ausreichend, allerdings ist dies nicht richtig. Wir benötigen die verschiedenen Stimmen, wenn wir Tasten mit dem Haltepedal halten und das kommt gar nicht so selten vor. Dann kann es einem schon passieren, dass ein Basston plötzlich verschwindet. 64-stimmig reicht meines Erachtens für den Anfänger und das Yamaha P-45 hat das zum Glück.
Bei den E-Pianos unter 500 Euro ist ein weiterer Nachteil, dass in dieser Preiskategorie die Tasten nicht angemessen gewichtet sind und die Laufeigenschaften der Tastatur damit nicht die wirkliche Erfahrung am Klavier abbildet. Allerdings ist es beim Yamaha P-45 der Fall, dass die unteren Tasten schwerer sind als die oberen, was ein echtes Klavier nachbilden soll.
Natürlich: Mit der mangelnden Differenzierung der Lautstärken können wir nicht die dynamischen Grundeigenschaften erlernen, wie präzises lautes oder leises Spielen. Wer sich den Unterschied einmal dramatisch vor Augen führen möchte, kann sich an einem Keyboard probieren. Hier sind nämlich die Tasten überhaupt nicht gewichtet und es ist beinah unmöglich interessante Klänge zu produzieren. Die Dynamik erscheint für absolute Anfänger bei E-Pianos als sekundär. Mit fortschreitendem Können aber ist es frustrierend, den Stücken keine ansprechende Entfaltung im Bereich der Dynamik geben zu können (egal wie viel man daran versucht, zu arbeiten). Das Stück erhält kein Leben und der Spieler keine Bestätigung.
Die Differenzierung ist beim Yamaha gut gelungen. Im leisen Bereich könnten mehr Differenzierungen möglich sein. Wenn ich zum Beispiel in unserer Pittsburgh-Piano-Group an einem Steinway-Flügel spiele, merke ich immer, wie schlecht meine Interpretation ausgearbeitet ist. Ein besseres Klavier zum Üben würde mir viel helfen.
Ein paar weitere Details: Wer wirklich Klavier lernen will, der braucht nur den Klavierklang, das heißt Extra-Sounds sind nett, aber nicht notwendig. Bei der Einschätzung, ob das E-Piano qualitativ ist, spielt es dann auch keine Rolle, ob verschiedene Songs auf dem E-Piano abspielbar sind: Wie zum Beispiel hier angemerkt:
„Sie bietet Ihnen 128 verschiedene Sounds und 100 unterschiedliche Rhythmen, die ganz gut programmiert wurden. Sie kann Ihnen 50 Demo Songs bieten. Sie können auch Aufnahmefunktion benutzen.“ Das billigste vom Billigsten: http://www.amazon.de/Klassische-Elektrosche-Klavier-Tasten-Notenablage/dp/B00TO0V00Q/ref=pd_sim_sbs_267_2?ie=UTF8&refRID=1WJFHVDH5YFM1BY5M2EX
Die Aufnahmefunktion bei einem E-Piano ist nicht sehr relevant, da die meisten Dinge, die man mit einem E-Piano machen will, auch mit einem normalen Computer ausgeführt werden können. E-Pianos verfügen nämlich über eine Midi-Buchse. Hier kann man den Umfang der Demosongs etc. dann auch unendlich erweitern. Ungeachtet dessen geht es aber vor allem darum, dass die Anzahl der eingespeicherten Melodien und Begleitrhythmen nahezu unbedeutend für das Erlernen von musikalischen Fähigkeiten ist.
Bei weiterführenden Interesse sollte man sich für ein teureres E-Piano entscheiden.
E-Pianos unter 1000 Euro
Es gilt ähnliches wie bei den Klavieren um die 500 Euro, obwohl man sich langsam der Qualität annähert. So hat das Yamaha 142B*
eine Polyphonie von 128 und auch bereits eine bessere Tastatur, bessere Soundkalibrierung als auch eine bessere Dynamik.
Das Gewicht ist mit 38 kg deutlich höher als das E-Piano unter 500 Euro, aber immer noch leichter als ein Klavier. Der Umzug bleibt einfach (ein Vorteil zum Klavier). Der Ständer ist zudem hier stabiler, was es leichter macht, schwere Stücke von Rachmaninoff zu spielen. Das Yamaha P-45 zittert doch bei diesen Stücken immer ein wenig.
Unter 2000 Euro
Das beste Preisleistungsverhältnis hat das Kawai ES 8B
Der Knackpunkt liegt in der Responsive Hammer III (RHIII) Mechanik mit Druckpunkt Simulation und Dreifach-Sensor, alles ermöglicht eine Anspieltechnik, die einem hochwertigen Flügel sehr nah kommt und das schafft kein Klavier. Darüber hinaus gibt es ebenso Saitenresonanz, was ja immer beim Klavier hervorgehoben wird, das heißt die anderen Seiten schwingen mit. In dieser Klasse ist das Kawai sicher ein Referenzpunkt für andere E-Pianos und die Qualität übersteigt bei Weitem jedes Klavier in diesem Bereich.
Über 3000 EuroZu den E-Pianos über 3000 Euro kann ich nicht so viel sagen, außer, dass meine Tests im Musikladen wirklich phänomenal waren. Es macht wirklich Spaß, den Klang darauf zu spüren. Ich glaube hier, lassen sich selbst für Experten kaum mehr Unterschiede zu einem Klavier feststellen, außer, dass es bei weitem besser ist als ein Klavier zum gleichen Preis.
Alles in allem hat das Kawai ES8, das beste Preisleistungsverhältnis und ist unter 2000 Euro zu haben.
Und was ist jetzt mit echten Klavieren? Nun, ein richtiger Steinwayflügel, wie er in Konzertsälen steht, hat noch immer einige Vorteile. Vor allem die Lautstärke ist dabei relevant. Ein Steinwayflügel wurde gebaut, um von der Lautstärke einem Orchester in einem Konzertsaal gleich zu kommen. Was aber das Wonzimmer angeht, so gibt es kaum mehr Unterschiede zwischen elektrischen Pianos und richtigen Klavier und legt man nicht wert auf die Nostalgie, so ist ein E-Piano eine gute Investition.Â
Nun, ich habe auch in vielen Foren geschaut und Fragen bei Quora zu dem Thema gepostet. Oftmals habe ich die Antwort bekommen, dass ein Klavier auf jeden Fall besser sei, dies waren aber oftmals Antworten, die sich nicht auf Recherche beriefen, sondern auf sehr selektive Einzelerfahrungen. Wenn ihr Meinungen zu dem Thema habt, dann in die Kommentare.
Wenn ihr keine weiteren Beiträge verpassen wollt und mir weiter folgen wollt, dann solltet ihr in den E-mail-Verteiler schlüpfen (bei Facebook kommt ja nicht mehr alles an). Ihr könnt mich auch bei Google+ adden, oder der Facebookgruppe oben rechts beitreten (bei Facebook gibt es dann auch andere Fragmente). Ein RSS-Feed für die progressiven Internetnutzer ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben. Weiterempfehlen  ist natürlich auch ganz nett.
Norman Schultz, Pittsburgh, Februar 2016Â
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