(Bildquelle:By Jens Langner (http://www.jens-langner.de/) (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons). Das Internet ist nicht unbedingt wie bei Bildern die Quelle von Qualität. Ich habe mich nun durch gut 50 Artikel und Erfahrungsberichte zu Ritalin hindurchgewühlt und bin nicht wesentlich schlauer als vorher. Internetrecherche werde ich daher wohl in Zukunft wieder reduzieren und mich auf Buchempfehlungen verlassen.
Worum geht es? Es geht um eine Pille, die unser Gehirn vom Standbymodus in den Genie-Modus umschaltet. Es geht um eine Pille, die unsere Neuronenenden im Gehirn sprießen lässt und alle Enden miteinander verknüpft. Es geht um eine Chemiekeule, die aus uns das anerkannte Genie macht, das überall geachtet wird und das wir für uns selbst verdient haben. Dieses kleine aufgeregte Genie würde sich dann an die Arbeit machen und wir würden im Fluss des kreativen Schaffens stehen, der durch uns hindurchströmt. Wir würden wie Menschen aus Dynamit Sprachen lernen, Instrumente virtuos bespielen, mathematische Probleme an Fensterscheiben lösen, Kunst in neue Dimensionen führen, wir würden wie ein Stern der Erleuchtung explodieren. Der kleine Tagtraum vom besseren Menschen in uns, würde endlich zu der Geschichte, die nur wir selbst sein sollen. Unser Neuronetranskript von der Welt, unser Gehirn, würde endlich den Weg freimachen und aus uns das größte Buch machen, dass jemals geschrieben worden ist. Wir wollen, der interessanteste Mensch der Welt sein:
Machtphantasien, die ein träumendes Gehirn bekommt, wenn es sich wie ein Streichholzkopf an der Welt entfacht. Dies soll alles geschehen. Gibt es daher vielleicht die Droge, die einzige Grenze uns selbst überwindet? Ritalin, so lautet der Stand meiner Recherchen, kann diese Träume nicht erfüllen. Das mittlerweile als Kinderkoks verspottete Medikament helfe angeblich nur den Blöden auf den Weg. Im Beistand für die Blöden sehen Wissenschaftler den Traum von der Gleichheit des Menschen damit realisiert. Die, die eben von der Evolution mit dem schlechteren Intelligenzbolzen ausgestattet worden wären, dürfen nun endlich zur Elite aufschließen. Kommen wir aber zur Auswertung von einigen wenigen qualitativeren Artikeln.
Ritalin den Blöden
Der Autor des ersten Artikels war wohl zu sehr auf Ritalin oder wie kommt es, dass er uns sogleich mit kränkelnder Logik belästigt:
„Körperliche Leistungsdaten lassen sich leichter verbessern. Das Gehirn ist schon ein optimiertes System. Wenn es einen einfachen Weg gäbe, mehr herauszuholen, hätten wir das evolutionär wahrscheinlich schon erreicht.“ (http://www.zeit.de/2007/42/Vor_der_Klausur_zur_Urinprobe/seite-2)
- These 1: Wenn es einen einfachen Weg gibt, dann hätten wir diesen evolutionär schon erreicht.
- These 2: Wir haben noch nicht den Weg erreicht.
- Konklusion: Es gibt keinen einfachen Weg.
- Stützargument: Das Gehirn ist schon ein optimiertes Gehirn.
Nun allein aus der Tatsache, dass wir einen Weg nicht kennen, können wir nur sehr schlecht schlussfolgern, dass es diesen Weg nicht gibt. Das Argument breitflächig angewandt, würde schließlich einen Stillstand der Forschung bedeuten. Es kann nicht geben, was es nicht gibt, warum also forschen? Zudem ist es höchst fragwürdig, ob unser Gehirn tatsächlich optimiert ist. Wenn wir gerade den Zustand der Welt auf ethische Vertretbarkeit hinterfragen, kommen wir doch zu einem recht eindeutigen Ergebnis. Wir wollen besser nicht den Zustand der Welt auf unsere angeblich evolutionär bestoptimierten Gehirne zurückführen.
Dennoch die bisherigen Ergebnisse deuten daraufhin, dass Ritalin nicht die versprochene Wunderdroge ist, nach der sich alle sehnen. Demnach führe nach einer Studie Ritalin im ersten Durchgang dazu, dass Studenten zwar besser abschneiden würden, im zweiten hingegen würden die Studenten ohne Ritalin punkten. Der Artikel stellt daher die Frage, warum so viele auf Ritalin schwören. Die Antwort besteht darin, dass die Einnahme eines Medikaments dazu führt, dass wir eher an uns glauben. Selbstbewusstsein gibt Stärke vor allem im intellektuellen Bereich. Besonders bei Placebogaben, die angeblich die Intelligenz erhöhen, gibt es in Studien immer wieder außergewöhnliche Suggestionseffekte (diese Studien werde ich in einem anderen Artikel nachrecherchieren). (http://www.zeit.de/2007/42/Vor_der_Klausur_zur_Urinprobe/seite-2)
Ritalin  den Selbstüberschätzern
Im Gespräch mit dem Psychater und Professor Klaus Lieb gibt sich genau diese Sicht der Dinge preis. Die Gabe von Intelligenzdrogen hilft, aber nicht chemisch, sondern psychisch.
„Weil die Einnahme von Substanzen wie Modafinil oder Amphetaminen dazu führen kann, die eigenen Fähigkeiten falsch einzuschätzen. Das zeigte etwa eine Studie 2008: Die Probanden erhielten nach einer durchwachten Nacht Modafinil, dann wurde ihre Fahrleistung im Simulator getestet. Auch wenn ihre Fahrfähigkeit gut war, überschätzten die Studienteilnehmer ihre Leistungen deutlich. Bei Chirurgen könnte die Einnahme der Substanz demnach zu einer erhöhten Risikobereitschaft und Gefährdung von Patienten führen.“http://www.zeit.de/2010/11/M-Neuro-Enhancement/seite-2
Es ist hinreichend bekannt, dass schon die Einnahme eines angeblichen Leistungssteigerers vor allem im intellektuellen Bereich zu besseren Leistung führt (Quellen hierzu werde ich anderen Artikeln nach recherchieren). Doch auch wenn Ritalin beispielsweise mehr als nur ein Placebo ist, so warnt der Professor: „There is no such thing as a free lunch.“ Leistungen seien nicht unbegrenzt steigerbar. Unser Gehirn würde bei einer dauerhaften Medikamentation, das zu einer durchgängigen Wachheit führen würde, nicht so gerne mitmachen (Belege bleiben aus, das Plausibilitätsargument erscheint mir allerdings als tragfähig, da analoge Studien bekannt und nicht allzuweit entfernt sind). Zu dem durchgängigen Optimierungsstreben gibt der Professor daher zu bedenken, dass wir nicht an den Erfolgen wachsen, sondern dass eben Niederlagen der Persönlichkeitsentwicklung beitragen. (http://www.zeit.de/2010/11/M-Neuro-Enhancement/) Klar, denn wer seine Schwächen aus eigener Kraft überwindet, gewinnt etwas in sich.
Ritalin und die Abhängigkeit
In einem besser recherchierten Beitrag dokumentiert der Spiegel die Veränderung bei Maria Westermann. Nach der Zufuhr von Ritalin gerät sie selbst zu einer Produktionsmaschine bis sie in völliger Abhängigkeit bei 15 Tabletten pro Tag schließlich zusammenbricht und ihre Tage nach kaltem Entzug letztlich in nüchterner Zerstreutheit verbringen muss. Der Traum zerreißt an der Schwelle zur physischen und psychischen Gesundheit. Dennoch stellt sich bei einer Leistungsgesellschaft die Frage, ob es erlaubt wäre unsere Kinder kontrolliert zu dopen? Eine Risikoabschätzung könnte ihnen wohl ein besseres Leben ermöglichen. Die Bildungslotterie muss ausgetrickst werden und so steht die Frage aus, ob wir Süchte kontrollieren könnten.
Zugleich aber stellt sich ein gesellschaftlicher Dopingverdacht ein. Gibt es vielleicht schon eine Wunderdroge, die einige Wissenschaftler bereits benutzen? Die Autoren beschreiben schließlich folgendes Szenario: Unter Tränen gesteht der frisch gebackene Leipnizpreisträger seine Arbeit unter Einfluss von illlegalen Substanzen geschrieben zu haben. Sein Ruf ist ruiniert. (http://www.spiegel.de/spiegel/a-657868.html)
Wohin führen Leistungsdrogen unsere Gesellschaft?
Als normaler Mensch fällt der Mann schon lange hinter die aufgeputschten Anabolikaboliden zurück. Unehrliche Männlichkeit macht heute im selben Maße den Schönheitswettbewerb kaputt wie eine durchschnittliche Frau heute nicht mehr mit den Designerbrüsten mithalten kann. Die Frage ist, ob Vernunft -und Leistungsdrogen letztlich auch noch den letzten Zufluchtsort der Hässlichen verstellen – die Intelligenz und Vernunftleistung. Sehen Nerds in Zukunft wie Vin Diesel aus? Aus den Erfahrungen mit Olympia und Radsport schlussfolgern auch die Autoren der Zeit:
„Wenn man das Prinzip der Fairness aufrechterhalten möchte, gibt es zwei Möglichkeiten: Man müsste die Medikamente entweder allen zugänglich machen, wie Traubenzucker oder Koffein, oder allen verbieten. Und dann sollte man die Schüler vor der Abiturprüfung zur Urinprobe schicken.“ http://www.zeit.de/2007/42/Vor_der_Klausur_zur_Urinprobe/seite-2
Ritalin bereits in Massen verkonsumiert
Nach Angaben der Zeit ist Gehirndoping in der Wissenschaft im Übrigen schon an der Tagesordnung. Es heißt:
„Ãœberraschend viele Akademiker nehmen Medikamente, um ihre Hirnleistung zu steigern, ergab eine Online-Umfrage des Fachblatts Nature unter seinen Lesern. Von den 1400 Teilnehmern räumte jeder fünfte ein, die konzentrationsfördernden Mittel Ritalin und Provigil oder angstlösende Betablocker mehr oder weniger regelmäßig geschluckt zu haben (Nature, Bd. 452, S. 674). Mehr als 80 Prozent plädierten für eine Freigabe dieser Form von Hirndoping für gesunde Erwachsene.“ (http://www.zeit.de/2008/17/ERFORSCHT_UND_ERFUNDEN)
Natürlich sind die Informationen der ZEIT dramatisch ins Licht gerückt. Ein Fünftel habe schon mal etwas probiert, heißt eben nicht regelmäßiger Konsum und angstlösende Betablocker, wie in der Stelle erwähnt, können auch aus guten Gründen verschrieben worden sein. Viel dramatischer erscheint dabei eher Tatsache, dass sich 80 Prozent für eine Freigabe von Neuroenhancement aussprechen. So wie sich immer mehr vorstellen können, leichte Schönheitskorrekturen durchführen zu lassen, so erscheint auch die Medikamentation in den Bereich des Wünschenswerten zu rücken.
„Ich wäre gerne etwas aggressiver, Herr Doktor!“ Unsere Seele unterscheidet sich wohl von dem Vehikel, dass ihr die Natur mitgegeben hat. Die Ungerechtigkeit besteht doch darin, dass die einen Ferrari zum Geburtstag (!) geschenkt bekommen haben und andere mit einer Ente zur Welt kamen. Da hilft nur in der hauseigenen Garage tunen oder Geld für einen geilen Mechaniker sparen.
Bis hierher also die ersten Ergebnisse meiner Sammlung (es folgen noch ein, zwei mehr). Wenn ihr in Zukunft mehr Informationen haben wollt und ihr noch mehr zu den Themen um bewusstes Lernen erfahren wollt, dann abonniert mich doch per E-mail oder werdet Fan der Facebookgruppe, wo wir regelmässig weitere Artikel rund um das Thema lernen posten. Über einen Kommentar freue ich mich natürlich auch.
Alles Gute Norman Schultz
Auch meine anderen Artikel zu Ritalin könnten interessant sein:
Bei netzwerkB geht es um die Ursache des Wunsches, ein anderer sein zu wollen:Â http://netzwerkb.org/2012/06/04/die-sorglose-reduzierung-des-menschlichen-korpers/
In meinem vorherigen Artikel geht es um Ritalin im Vergleich zur Selbstdisziplin
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