Das Internet als sozialer Verstärker beim Lernen

Zusammenfassung: In diesem Artikel geht es um soziales Lernen und wie dieses sich im Internet besser realisieren lässt als an den Universitäten. Wenn die Universitäten nicht reagieren, werden sie von alternativen Lehrkonzepten verdrängt werden. Ich zeige daher, dass es darauf ankommt, das Internet als sozialen Verstärker des Lernens zu nutzen.

Da nächste Woche die Weltmeisterschaft zwischen dem 23-Jahre jungen Carlsen und dem amtierenden Weltmeister, dem 21 Jahre älteren Anand beginnt, gab es in der Zeit ein Interview mit Anand. Interessant war hieran Folgendes: Auf die Frage, ob die Schachwelt anders als vor 20 Jahren sei, als Anand begann zu spielen, antwortete Anand klar:

VishyAnand09

Schachweltmeister Anand

Vollkommen anders. Schon wegen der Computer-Revolution. Der Ansatz ändert sich ständig.“ (http://www.zeit.de/sport/2013-10/viswanathan-anand-interview-schachwm/seite-2)

In allen Phasen des Spiels verdränge demnach der Computer traditionelle Konzepte, so Anand. Dass Computer hierfür verantwortlich wären, können wir daran sehen dass „so viele starke Spieler aus Ländern ohne Schachtradition“ kämen. Anand fügt hinzu:

„Computer eröffnen den Zugang zum Spiel. Sie liefern die Informationen und erleichtern das Lernen. Was das Internet bewirkt, sieht man besten an der Zahl junger Spieler in den Top Ten.“

 Jene Computerrevolution, die Anand hier anspricht, zeigt, dass Computer oder das Internet einen wesentlichen Beitrag zum Lernen leisten können. Es sind nicht nur neue Medien, die in der Form der „digitalen Demenz“ uns nur neue Formen des Vergessens und der Prokrastination bescheren (Spitzer, Manfred: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen, Affiliate Link). Auf der anderen Seite kommt es auch darauf an, die Vorteile dieser neuen Technik sichtbar zu machen und dies ist häufig schwieriger.

Es ist unklar, was die Computer-Revolution eigentlich in welcher Weise beeinflusst und daher muss die „Computer-Revolution“ im Lernen auch nicht zwangsläufig bei den Universitäten ankommen. Ich deutete ja schon vielfach an, dass unsere Bildungsinstitutionen unter Bildungsvorwand eher Disziplinierungsanstalten sind und daher kein Interesse an Bildung haben. Kapitalistische Verhältnisse bedürfen eher disziplinierter als gebildeter Bürger. Aus diesem Grund dürfen Professoren auch immer noch ihre Studenten mit Vorlesungen langweilen, wo Studenten vor allem Disziplin lernen. Zwar gibt es neue Konzepte des Lernens, aber aufgrund der institutionellen Prägung geht es vielleicht nicht wirklich darum besser zu unterrichten oder gar zu bilden. Universitäten bekommen daher Konkurrenz von alternativen Lernformen, die sich eventuell nicht mit den Disziplinierungsverfahren der Institutionen vereinbaren lassen.

Das Internet und die Universität

Wenn es es nun aber tatsächlich um die Zukunft des Lernen geht, dann ist es wohl gerade das Internet, welches interaktives Lernen ermöglicht. Hier aber reagieren Autoritätsregime behäbig. Um ganz genau zu sein: Professoren müssen umdenken, wenn sie noch besser unterrichten wollen. In der Regel genießen sie allerdings ihren Machtstatus. In anderen Worten, nachdem man viele Jahre verdammt war, nur zuzuhören, foltern man nun mit quälenden Monologen zurück. Doch die Konkurrenz des Internets schlägt hier zu. So können wir zum Beispiel davon ausgehen, dass das Internet jetzt schon wesentlich bessere Vorlesungen bietet als der Durchschnittsprofessor (ein Beispiel ist hier mit Sicherheit Christian Spannagel, der mit unterhaltsamen Vorlesungen zur Mathematik vor allem neue Techniken bei seinen Vorlesungen benutzt und dabei allen anderen Professoren Konkurrenz macht. In den Kommentaren bei Youtube lassen sich dann häufig Kommentare lesen, wieviel besser seine Vorlesungen wären, als die ihrer Professoren). Wie reagieren hierauf also mittelmäßige Professoren?

Hier ein Vortrag von Christian Spannagel zu der Revolution durch digitale Medien. (Leider finde ich seinen Vortrag zur Konzeption neuer Vorlesungen nicht mehr. Wird allerdings nachgeliefert.)

Was ich sagen will: Wenn wir also als Unterrichtende weiter nur auf Vortragen bestehen, dann konkurrieren wir zunehmend mit immer besseren Vorlesungen im Web. Die Universität (vor allem in Amerika, wo es ja um großes Geld geht) muss sich daher verändern oder Lernen findet in Zukunft nicht mehr an den klassischen Institutionen statt. Was kann die Universität also leisten? Nun ich glaube sie kann einen Raum wahrer Interaktion bieten, wo Professoren die Inhalte im Netz für die Studenten systematisieren. Darüber hinaus können die Professoren dann die soziale Interaktion zwischen den Studenten herstellen. Dieses nenne ich in Zukunft „soziale Verstärkung“ des Lernens.

Schauen wir uns nun am Beispiel von Duolingo ein weiteres Beispiel für internetbasiertes Lernen an, was sozial verstärkt wird:

By various (Scan from the original book) [Public domain], via Wikimedia Commons

Auf eine spannende Weltmeisterschaft

2. Wie Duolingo Sprachen lernen verändert

Duolingo ist eine kostenlose Sprachlernsoftware. Leider ist das Angebot momentan nur auf Englisch verfügbar, so dass vor allem Menschen, die bereits Englisch können, etwas davon haben. Dieses aber will Duolingo bald ändern.

Insgesamt bringt es Duolingo (Artikel zu Duolingo hier) bei einer Sprache auf 3.000 Basis Vokabeln, wobei hierbei auch die basalen grammatischen Strukturen gelehrt werden. Es braucht ca. 100 Stunden bis man die Lektionen durchgegangen ist. Bis jetzt haben ca. 100.000 Menschen Duolingo absolviert.

Meine Erfahrungen mit Französisch bei Duolingo sind sehr positiv und ich habe das Gefühl, ich habe in einer Woche mehr gelernt als in einem Jahr Französisch an der Schule. Es ist tatsächlich sehr motivierend, weil man sich mit den Leveln, die man erwirbt mit seinen Freunden vergleicht und dabei vor allem soziale Anreize bekommt (zu den sozialen Anreizen komme ich am Ende noch). Dieses Leveln war vorher vor allem aus Spielen wie World-of-Warcraft bekannt und es wäre nun interessant, alle Lernsoftware des Internets in einen generellen Levelcharakter als persönliches Zeugnis zu überführen. So könnten wir uns alle direkt beobachtbar hochleveln.

Duolingo setzt auf freie Mitarbeit von Autoren

Neuerdings spannt Duolingo ähnlich dem Wikipediamodell Autoren für neue Kurse ein. Jeder, der zweisprachig aufgewachsen ist, kann dabei an einem Kurs mitarbeiten. Dies ist also der Versuch, Lehrbücher der Sprachen zu erstellen und diese der gesamten Welt in allen Sprachen zur Verfügung zu stellen.

Lehrbücher bei Wikipedia

Die Idee ist nicht neu. Die Frage ist, ob dies funktioniert. Es gibt ja schon seit längerem den Versuch bei Wikipedia Lehrbücher zu erstellen. Hier hapert es allerdings an der Mitarbeit. Da so ein Buch womöglich doch längere Schreibwege benötigt als ein gewöhnlicher Wikipediaartikel und nicht ohne Weiteres schnell beendet werden kann, braucht es mehr Arbeit und Zielstrebigkeit der Autoren. Dies gelingt allerdings nur selten. In der deutschen Version von Wikibooks wurden so zwar bereits 677 Bücher mit 20.447 Buchkapiteln gestartet, 69 Bücher wurden aber nur als fertig markiert (Stand: Juli 2013 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikibooks). Ein Blick in die Kategorie „Philosophie“ verrät dann aber, dass diese Lehrbücher noch sehr dürftig sind: https://de.wikibooks.org/wiki/Regal:Philosophie. Das Modell setzt sich meines Erachtens bei Wikipedia nicht durch, aber ich habe auch nicht viele Lehrbücher in ihrer Qualität versucht zu bewerten.

Was also ist der Anreiz bei Duolingo für die Autoren Sprachkurse zu erstellen?

Bei Duolingo geht es darum, diese Lehrbücher kostenlos zu erstellen, die Objektive heißt::

„Our objective is to teach the world languages for free, so we also expect others to collaborate for free,“ („Unser Ziel ist es, der Welt Sprachen kostenlos zu unterrichten, daher erwarten wir andere frei zu kollaborieren.“

Im Moment finanziert sich Duolingo durch die 18 Millionen Dollar Startkapital, aber auch durch Übersetzungen, die mittels Duolingo von Nutzern erstellt werden. Hier können Nutzer Artikel aus dem Internet vorschlagen und diese dann in Fragmenten je nach Lust und Laune übersetzen. Im Gegenzug erhalten sie, Anerkennung für ihr Profil, welches sie zum Lernen überhaupt motiviert.

Dies ist wohl auch das zukünftige Geschäftsmodell von Duolingo, die Übersetzungsarbeit vieler dadurch zu belohnen, dass die freiwilligen Arbeiter etwas lernen und Anerkennung bekommen, während Duolingo freie und gute Übersetzungen, erstellt durch Schwarmintelligenz, auf dem Markt anbieten kann.

Da also Duolingo auf das kostenlose Mitwirken zielt, sei der Anreiz daher, dass die Schöpfer der neuen Kurse eine Nennung erhalten, also soziale Verstärkung ihres Lernens. Reicht dies allerdings aus? Der Gründer Von Ahn berichtet, dass ihn täglich tausende E-mails von Menschen erreichen, die bereit sind, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Das heißt, „Ja“.

Duolingo und interaktive Arbeit

Mittlerweile gibt es viele Schulen weltweit, die Duolingo nutzen und 30.000 Studenten folgen dieser Methode. Würde ich Sprachen unterrichten, so wäre es wohl auch ein Requirement bei mir. Die Studenten könnten dann einen bestimmten Levelgrad erreichen, um die entsprechende Benotung zu erhalten und müssten keine Tests schreiben. Natürlich könnten sie schummeln, aber das ist mir eigentlich egal, da die Noten bei den Arbeitgebern ohnehin einen geringeren Ausschlag geben, beschummeln sich Studenten selbst. Ich gebe ihnen die Möglichkeit etwas systematisch zu lernen. Kurz: Noten sind mir egal und ich gebe sie nur aus administrativen Zwängen.

Zwischen 60,000 und 70,000 Menschen registrieren sich derweil täglich bei Duolingo. Mittlerweile gibt es bereits 10 Millionen Nutzer. Ein Zeichen, dass die Verschiebung unserer klassischen Lernmodelle weiter voranschreitet und damit womöglich Sprachkurse überflüssig macht, wenn diese nicht reagieren.  Die Frage ist also, wie werden sich unsere Ausbildungswege mit diesen neuen Lernformen verändern? Ich könnte mir beispielsweise ein ähnliches System für Mathematik vorstellen.

3. Soziales Lernen

Bei der folgenden Infografik geht es um gute und schlechte Eigenschaften, die sehr gute Lerner haben. Besonders interessant ist dabei der Punkt, welche Auswirkungen das Setzen von Zielen hat, wenn die Probanden dieses ihren Freunden erzählen.

The Habits of Smart People
Source: Online-PhD-Programs.org

Studenten erreichen also ein Ziel eher, wenn sie es mit ihren Freunden teilen. Genau diesen Aspekt sehe ich im sozialen Lernen bei Duolingo und im Schach über das Internet erreicht. Also nochmal: 43% der Studenten erreichten ihr Ziel einfach so, 63% der Studenten, die ihr Ziel aufschrieben, erreichten dieses und 76% erreichten es, wenn sie es mit Freunden teilten. Ich bin relativ froh, dass Kiril Stankow (Dirigent) uns nun zweimal wöchentlich über unsere Ziele austauschen und diese festhalten. Eigentlich sollte mir die Universität dazu Gelegenheit geben, aber dies tut diese nicht.

4. Probleme beim Arbeiten mit dem Internet zum zerhackten Arbeiten

Kritik soll nochmal nachgeschoben sein. Es schließlich auch einige, die dies das Internet als sehr problematisch erachten. Angeblich verbrauchen amerikanische Arbeitnehmer 28 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Surfen im Internet und privaten Mails. Am wenigsten würde daher Arbeit noch mit Arbeit verbracht werden. Bei RescueTime (ein Programm, das ich empfehlen kann und das besser als die NSA das private Surfverhalten überwacht und am Ende der Woche einen Lagebericht schickt) heißt es, dass ein amerikanischer Angestellter 50 mal seine E-mails checkt, 77 Kurznachrichten verschickt und auch gerne mal auf seinen Lieblingsseiten (40) seine Zeit verbringt. Angeblich betrage der Schaden demnach:rund 650 Milliarden Dollar im Jahr. (Quelle: Denkreich)

Bei Denkreich heißt es:

„Nach der Patchwork-Familie kommt jetzt Patchwork-Arbeit. Medina bringt es auf den Punkt: „Wer unterbrochen wird (oder sich selbst unterbricht) braucht 50 Prozent länger für eine Aufgabe und macht 50 Prozent mehr Fehler.“

Nun, die Frage ist also, ob das Internet das Land der unbegrenzten Prokrastination führt oder ob wir im Internet Trainer finden, die uns an unsere Höchstleistungen bringen.Wie in meinem Artikel angekündigt, werde ich das Internet auch weiterhin nutzen, um meine Lernziele öffentlich zu machen und damit sozial zu verstärken:

Ihr findet mich hier: http://www.duolingo.com/Fibonaccie,

Ich beginne ab sofort einen Lernblog für Blues am Klavier: http://learning-the-blues.blogspot.com/, meine Klavierfertigkeiten gibt es hier. Einen Blog zum Schach hier und meine philosophischen Studien (denn ich bin ja Philosoph), die allerdings reichlich uninteressant sein dürften, gibt es hier.

Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden sowie eine “gewaltig interessante” Pinterestwall zum Thema Lernen. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen.

Norman Schultz

Pittsburgh

Titelbildnachweis: By User:Nina Silaeva (личная работа) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

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